Der Autor:
Prof. PD Dr. Guido Offermanns
forscht und lehrt als Gesundheitswissenschaftler und Ökonom an der Abteilung für Organisations-, Personal- und Managemententwicklung der Universität Klagenfurt. Zudem ist er stv. Leiter des Instituts für Krankenhausorganisation der Karl Landsteiner Gesellschaft. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die nationale und internationale Gesundheitspolitik sowie Fragestellungen zum Management in Gesundheitseinrichtungen.
KURZFASSUNG
Die Gesundheitszielentwicklung steht in Österreich nun tatsächlich vor der Tür. Man nähert sich dem Thema auf zwei Flanken. Einerseits betreibt das Bundesministerium für Gesundheit die Umsetzung der Vorgaben aus der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens für die Jahre 2008 – 2013. Daher hat die Bundesgesundheitskommission für den Start in die Entwicklung von Rahmengesundheitszielen nun grünes Licht gegeben. Andererseits hat der Hauptverband der Sozialversicherungsträger durch die Veröffentlichung des Masterplans für Gesundheit dieses Thema ebenfalls hoch auf der gesundheitspolitischen Prioritätenagenda angesiedelt (SV Masterplan 2010).
Die Auswertung von Studien und Erfolgsfaktoren hat gezeigt, dass oft völlig heterogene Auffassungen bestehen, was Ziele für ein Gesundheitssystem bedeuten und welche Wirkungen diese tatsächlich erzielen können. Ziel des Artikels ist es, Möglichkeiten für eine konkrete Herangehensweise an die Zielentwicklung zu zeigen, unter Einbezug von aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen. Dabei geht es insbesondere darum, wichtige Themen geeignet in die Diskussion zu integrieren und einen wissenschaftlich abgesicherten Bezugsrahmen für die Entwicklung von Gesundheitszielen vorzuschlagen („Health Policy Framework“). Zudem soll die Frage beantwortet werden, wie Rahmenziele des Bundes die Grundlage für die Zielentwicklung in den einzelnen Bundesländern sein können. Der Artikel nutzt Ergebnisse der Gesundheitszielentwicklung für das Bundesland Kärnten, den die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt begleitet hat. Die im vorliegenden Artikel vorgeschlagenen Konzepte wurden in Kärnten erstmals, unter Berücksichtigung des Ansatzes „Health in all Policies“ (Gesundheit in allen Politikbereichen), erprobt. Dem neuen Paradigma wurde insofern Rechnung getragen, indem die Projektgruppe aus Personen der unterschiedlichen Politikbereiche, den Leistungserbringern sowie den Patientenvertretungen zusammengestellt war. Die Ergebnisse lassen sich auf Österreich und die Bundesländer als innovative Diskussionsgrundlage, basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, gut übertragen.
Die Definition von Gesundheitszielen ist ein Start in eine Neuorientierung eines Gesundheitssystems und wirkt unterstützend bei der Entwicklung einer zunehmend rationalen und transparenten Gesundheitspolitik.
Die Gesundheitsziele ermöglichen eine zunehmend nachhaltige und verantwortliche Ausrichtung der Gesundheitspolitik über traditionelle Systemgrenzen hinaus. Durch zunehmendes Verständnis der im Bezugsrahmen eingeführten neuen Konzepte (u.a. Public Health, Health in all Policies, Health Impact Assessment, Qualitäts- und Risikomanagement) kann auch die Aufmerksamkeit besser auf jene Gruppen gelenkt werden, deren Gesundheitsprobleme, heute aber auch zukünftig, besondere Aufmerksamkeit verlangen werden.
Kernfrage muss sein, wie die Strukturen an die Bedürfnisse der zu versorgenden Gruppen angepasst werden können (Wertschöpfung durch Prozessorientierung). Stärkere Verantwortung und Mitbestimmung der Bürger und Patienten ist anzustreben (bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfegruppen, Patientenanwalt). Ein weiteres Kernziel ist die Förderung neuer Versorgungsformen im ambulanten Bereich (Gruppenpraxen, Hausarztmodelle, Versorgungszentren) sowie einer besseren Vernetzung mit den Spitälern durch Versorgungssektoren übergreifende Prozesse in verbindlichen Führungsstrukturen. Das Gesundheitspersonal muss als wichtigste Ressource zur Erbringung von qualitativ hochwertigen Leistungen entsprechend anerkannt und gefördert werden. Notwendig ist dabei die Förderung eines modernen Personalmanagements sowie moderner Führungsstrukturen in allen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens.
Zur Förderung der einzelnen aus den Zielen abgeleiteten Projekten kann die Schaffung einer Public-Health-Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Ziele sowie der daraus abgeleiteten „Multisektoralen Gesundheitsstrategie“ dienen. Die Koordinierungsstelle unterstützt die einzelnen Politikbereiche bei der Umsetzung der Bereichsstrategien. Diese stellt eine „ortsnahe Koordinierung“ zur Umsetzung der Ziele sicher. Mit Blick auf die Abstimmung der Ressourcen im stationären Bereich ist eine Forcierung der Leistungsangebotsplanung für die Krankenhäuser anzustreben, wobei eine bundesländerübergreifende Steuerung einer lokalen eindeutig vorzuziehen ist. Ein Kernthema im Bereich der Krankenhäuser ist der Aufbau einer Qualitätssicherung mit Routinedaten in Anlehnung an bewährte internationale Verfahren (Outcome-Orientierung). Ein Transporteur hierfür kann die Einführung von ergebnisorientierten Qualitätsmanagementsystemen in den Spitälern zur Veränderung von Strukturen, Strategien und Kulturen sein, mit Patienten und Mitarbeitern im Hauptfokus. Parallel eingeführt werden müssen Fehlermelde- und Risikomanagementsysteme als Bestandteile obligatorischen Qualitätsmanagements. Wichtig dabei ist auch eine breit angelegte Kommunikationsstrategie der Ziele in die Bevölkerung, um eine andere Sichtweise auf das Thema Gesundheit zu fördern. Daran müssen sich die Politik, aber auch die unterschieldlichen Akteure im System messen lassen.
Abschliessend kann festgehalten werden, dass Österreich mit der Entwicklung von Gesundheitszielen den richtigen Weg einschlägt. Erfolgsfaktoren sind sicher der breite Einbezug der unterschiedlichen Anspruchsgruppen sowie der Einbezug und die Sensibilisierung der anderen für die Gesundheit der Bevölkerung relevanten Politikbereiche. Letztendlich entscheidend für den Erfolg eines Zielprozessess kann jedoch nur die Umsetzung der einzelnen Ziele sein.