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Medikamente: Haftungsansprüche gegen den Hauptverband bei Patentverletzungen durch Generikahersteller


Mag. Hans SeyfriedDer Autor:
Mag. Hans Seyfried

ist Mitarbeiter der Abteilung „Vertragspartner Medikamente“ im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.



KURZFASSUNG

Mit der Aufnahme einer Arzneispezialität in den Gelben bzw. Grünen Bereich des Erstattungskodex (EKO) unterwirft sich das vertriebsberechtigte Unternehmen dieses Produktes den strengen Preisbildungsregeln des EKO. Diese zwingen den Hersteller eines Originalproduktes zu Preissenkungen in einem nicht unbeachtlichen Ausmaß, sobald das erste bzw. das dritte wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukt in den Gelben bzw. Grünen Bereich des EKO aufgenommen wird.

Es verwundert daher wenig, dass die Hersteller von Originalprodukten ein großes Interesse daran haben, dass keine bzw. möglichst wenige wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte in den EKO aufgenommen werden. Die Hersteller von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten wiederum sind bestrebt, möglichst schnell ihre Produkte in den EKO zu bekommen, um so einen Preisvorteil gegenüber anderen Herstellern von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten zu erlangen. Vor diesem Hintergrund war es seit jeher eine Forderung der Hersteller von Originalprodukten, dass der Hauptverband bei der Aufnahme von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auch mögliche Patentverletzungen dieser prüfen solle.

Jedoch weder das ASVG noch das Patentgesetz enthalten eine ausdrückliche oder im Wege der Interpretation erkennbare Verpflichtung des Hauptverbandes, bei der Aufnahme von Arzneispezialitäten in den EKO mögliche Patente zu prüfen bzw. mögliche Patentverletzungen eines Generikumherstellers mit einer Nichtaufnahme zu ahnden. Indem die Europäische Kommission mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 an den Hauptverband ausdrücklich festhält, dass sich patentrechtliche Auseinandersetzungen „nicht auf die Zulassungsverfahren von Generika auswirken“ dürfen, und „die österreichischen Behörden im Einklang mit dem [...] pharmazeutischen Gemeinschaftsrecht handeln“, wenn sie „unabhängig vom patentrechtlichen Status der Referenzsubstanz Erstattungsentscheidungen treffen“ und sie weiters die Durchsetzung von Patentrechten sowie die Feststellung potenzieller Verstöße dagegen „den zuständigen nationalen Gerichten“ zuschreibt, bestätigt sie diese Auffassung.

Die Tatsache, dass der Hersteller eines Generikums zum Zeitpunkt der Antragstellung das Generikum nicht nur hergestellt hat, sondern dieses darüber hinaus auch vertreibt, lässt die Forderung, der Hauptverband solle das Bestehen von Patenten prüfen und eine allfällige Verletzung mit einer Antragsabweisung ahnden, zudem wenig sinnvoll erscheinen. So wird eine mögliche Patentverletzung durch die Nichtaufnahme in den Gelben oder Grünen Bereich des EKO schließlich nicht verhindert, geschweige denn ungeschehen gemacht. Das ein Patent verletzende Generikum wäre trotz der Nichtaufnahme in den EKO weiterhin in Österreich zugelassen, könnte weiterhin von Ärzten verschrieben werden und die Kosten müsste – unter der Voraussetzung, dass eine ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes erteilt wird – weiterhin der zuständige Krankenversicherungsträger tragen.

Zuletzt aktualisiert am 28. Februar 2022