Der Autor:
Ass.-Prof. Dr. Guido Offermanns
Lehrt und forscht als Gesundheitswissenschaftler und Ökonom am Institut für Unternehmensführung der Univ. Klagenfurt. Er widmet sich Fragen der Gesundheitspolitik auf europäischer und nationaler Ebene. Vormalige Tätigkeit an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Univ. Bielefeld.
KURZFASSUNG
In der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens für die Jahre 2008 – 2013 wurde zwischen Bund und Ländern vereinbart, dass die Vertragsparteien sich zukünftig, bei der Durchführung ihrer jeweiligen Maßnahmen, an Public-Health-Grundsätzen orientieren werden (Artikel 11). Angestrebt wird dabei auch die gemeinsame Entwicklung von Rahmen-Gesundheitszielen auf Bundesebene als eine Art Orientierung für die Bundesländer. Zudem werden noch andere Themen wie u.a. Qualität, Nahtstellenmanagement, Gesundheitstelematik, Finanzierung sowie der Einsatz gesundheitsökonomischer Methoden adressiert. In den Bundesländern gibt es erst wenige Initiativen zur Entwicklung bzw. Umsetzung von Gesundheitszielen. Generell diskutiert werden muss, ob die Einführung von Gesundheitszielen ein geeignetes Instrument ist, das österr. Gesundheitssystem nachhaltig in die im Gesetz vorgeschlagene Richtung zu verändern. Eine weitere Frage ist, wie die Prozesse auf Bundes- und Länderebene geeignet verknüpft werden können. Im diesem Beitrag wird das Instrument der Gesundheitsziele vorgestellt und geprüft, inwieweit es für Österreich geeignet ist.
Ausgangssituation
Es existieren zahlreiche Qualitätsdefizite im System, die den Leistungsnachfragern eher wenig bekannt sind, jedoch nun zunehmend öffentlich medial diskutiert werden. Regelmäßig stellt sich, insbesondere vor anstehenden Gesundheitsreformen zu Beginn einer Legislaturperiode die Frage, mit welchen Steuerungsinstrumenten das System nachhaltig erneuert werden kann. Als ein mögliches Steuerungsinstrument bieten sich Gesundheitsziele an, die bereits international breite Beachtung finden. Für Gesundheitsziele existieren unterschiedliche Definitionen. Sie werden als ein Steuerungsinstrument zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung angesehen und als verbindliche Vereinbarungen zwischen den verantwortlichen Akteuren, die auf eine Verbesserung des Gesundheitsniveaus abzielen. Diese sind selbstverständlich nur dann sinnvoll, wenn sie diesseits von in der Praxis nicht umsetzbaren Utopien vereinbart werden. Mit ihnen verbinden sich Visionen, die im Konsens vereinbarte Entscheidungshilfen für alle Steuerungsebenen bereitstellen. Für ausgewählte Zielbereiche werden durch gesicherte Erkenntnisse Empfehlungen formuliert und Maßnahmenkataloge erstellt. Alle Akteure im System verpflichten sich zur nachhaltigen Entwicklung und Umsetzung der Ziele. Im Konsens von Politik, Kostenträgern, Leistungserbringern, Selbsthilfeorganisationen sowie Wissenschaft u.a. soll ein gemeinsamer Handlungsrahmen geschaffen, Wissen bereitgestellt und Ressourcen gezielt koordiniert sowie Fachkompetenzen gebündelt werden.
Gesundheitsziele geben der Politik eine Orientierung und steigern die Wahrnehmung vernachlässigter, aber zur Bewältigung künftiger Herausforderungen wichtiger Bereiche, wie Gesundheitsförderung und Prävention. Sie gewährleisten auch den Abgleich zwischen bereits bestehenden Zielinitiativen und Gesundheitsprogrammen. Durch die Formulierung von über Versorgungsgrenzen hinausreichenden Zielen können unterschiedliche Sichtweisen zueinander in Einklang gebracht und Prioritäten sowie gewünschte Ergebnisse der Gesundheitsversorgung eher ausgemacht und weniger konfliktträchtig durchgesetzt werden. Neben der Verbesserung der Gesundheit stehen auch wirtschaftliche, soziale und ethische Interessen im Blickfeld der Gesundheitszielentwicklung, wie z.B. Effektivität, Effizienz und Gerechtigkeit.
Gesundheitszielentwicklung in sukzessiven Schritten
Es finden sich sechs aufeinander aufbauende Entwicklungsschritte, beginnend mit der Festlegung von Prinzipien und Werten, gefolgt von der Zielintention, der Zielabsicht, qualitativen Zielen, quantitativen Zielen und endend mit der Definition von Indikatoren und einem Monitoringsystem (Berichterstattung, Controlling).
Wichtig ist die Verbindlichkeit und Klarheit der Vereinbarungen zwischen Politik und den beteiligten Akteuren. Ohne diese und den tatsächlichen Willen zur Umsetzung und der faktischen Akzeptanz des Zieles sind gesundheitspolitische Maßnahmen zum Scheitern verurteilt und die Implementierung einer wirksamen Lösung nicht möglich. Bei allen Aktivitäten im Rahmen der Zieldefinition muss man aber auch bedenken, dass Gesundheit und Krankheit Endpunkte eines Kontinuums darstellen. Daher kann eine Erfassung nur unzureichend durch objektive erfassbare Zustände erfolgen. Quantitative Ziele sind notwendig, um Orientierung zu geben, dennoch müssen sie vor dem Hintergrund der Komplexität von Gesundheit und Krankheit stets relativiert und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Um die Wahrnehmung der Ziele in der Öffentlichkeit zu gewährleisten, sollten statt einer Vielzahl an Zielen, wenige, die aber selektiv gewählt und geeignet kommuniziert werden. Gerade Ansätze der Prävention und Gesundheitsförderung können nur wirksam sein, wenn diese auf die Bedürfnisse konkreter Gruppen zugeschnitten sind und in definierten Settings ansetzen (u.a. Betriebe, Schulen, soziale Brennpunkte, Treffpunkte sozial benachteiligter Gruppen). Bei der Zieldefinition sind auch die Konsequenzen bei Nichterreichung eines Zieles festzulegen (z.B. Verschlechterung der Gesundheit, Benachteiligung beim Zugang einer bestimmten Gruppe zu Leistungen, Folgen mangelnder Qualität und Transparenz der Angebote). Die Umsetzungsverantwortlichkeit ist ebenso ein Punkt, der klar geregelt werden muss.
Gesundheitsziele als Leitfaden zur Veränderung des Systems
Wie die Definitionen zeigen, sind Gesundheitsziele kein technokratisches und formales Steuerungsinstrument, sondern vielmehr ein Leitfaden, der darauf abzielt, sowohl Kräfte, Ideen und Visionen als auch neue finanzielle und personelle Ressourcen für genau bezeichnete Prioritäten freizusetzen und zu mobilisieren.
Grundsätzlich sind Gesundheitsziele als ein geeignetes Veränderungsinstrument für das österreichische Gesundheitssystem anzusehen. Auf Ebene des Bundes sollte zügig ein Bezugsrahmen für die Ziele auf Länderebene zur Umsetzung der 15a-Vereinbarung geschaffen werden. Der Anspruch an diesen Rahmen muss sein, neue wissenschaftliche Konzepte aufzunehmen und in die Länder zu transportieren. Bisher in den einzelnen Ländern entwickelte Zielprogramme müssen nicht außer Kraft gesetzt werden, sondern können geeignet an die Rahmenvorgaben angepasst und erweitert werden. Rein an die Bedürfnisse der Akut-Medizin orientierte Ziele reichen sicher nicht aus, um eine tatsächliche Neuausrichtung zu erreichen. Gesundheitsförderung und Prävention müssen zunehmend in den Mittelpunkt gerückt werden, idealerweise als eigener gleichberechtigter Versorgungsbereich. Hierfür muss jedoch die Bereitschaft aller Akteure im Gesundheitswesen eingefordert werden, ihren Beitrag zu leisten, die Stärken des österr. Gesundheitssystems zu bewahren sowie an den Verbesserungspotenzialen konsequent zu arbeiten.