Der Autor:
em. Univ.-Prof. DDr. Walter Hauptmann
lehrte Kriminal- und Rechtspsychologie an der Univ. Salzburg und leitete die dortige Forschungsstelle „Rechtspsychologie“. Seine wissenschaftliche Arbeit beinhaltete vor allem die analytische Psychotherapie persönlichkeitsgestörter Krimineller und den Missbrauch psychoaktiver Substanzen (Alkohol, Nikotin, Rauschdrogen).
KURZFASSUNG
Der Autor skizzierte im 1. Teil seines Beitrages (siehe Soziale Sicherheit, Juni 2010) zunächst die gesamten sozialwirtschaftlichen Kosten des Drogenmissbrauchs in Österreich für das Jahr 2002. Diese wurden schon damals in Summe mit ca. 14,7°Mrd. Euro pro Jahr beziffert. Infolge des Anstiegs des Drogenmissbrauchs um gut 11 % pro Jahr wären diese Kosten derzeit schon mit ca. 30 Mrd. Euro (!) pro Jahr einzuschätzen.
Im nunmehrigen zweiten Teil seiner Studie widmet sich der Verfasser jenem Kostenanteil, der von den Sozialversicherungsträgern abzudecken ist. Er musste dabei feststellen, dass die einschlägige Datenlage nicht sehr befriedigend ist.
Daher können die Krankenkassen z.B. kaum Daten über wesentliche drogenbedingte Behandlungskosten im Sinne des § 41 des Suchtmittelgesetzes liefern (z.B. für ärztliche Behandlung außerhalb einer Substitutionsbehandlung, Entzugstherapie sowie klinisch-psychologische Beratung und Betreuung und für Psychotherapie). Analoges gilt auch für alle Kosten einer stationären Drogenbehandlung (für die z.B. das BMJ 70.000 bis 80.000 Euro pro Fall ausgibt).
Für die Substitutionstherapie mussten die österreichischen Krankenkassen 2008 an die 30 Mill. Euro ausgeben. Auffallend waren dabei die hohen jährlichen Pro-Kopf-Kosten für Substitutionsmedikamente in Wien (= 2.440 Euro, jedoch nur 890 Euro im Durchschnitt in allen anderen Bundesländern). Dieses Missverhältnis dürfte nicht nur auf eine weit überdurchschnittliche Verordnungsrate von „SUBSTITOL“, sondern nicht minder auch auf dessen Missbrauch durch „Fixen“ und zugleich dadurch entstehen, dass ein erheblicher Teil der „Versorgung“ des Wiener SUBSTITOL-Schwarzmarktes und von Wien aus überdies auch noch des einschlägigen Schwarzmarktes aller anderen Bundesländer erfolgt.
Weitere wesentliche Kostenfaktoren für die Krankenkassen liegen z.B. in drogenassoziierten Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitis B und C etc).
Zu beachten ist auch, dass durch Beschaffungsprostitution all diese (und andere) Infektionskrankheiten nicht nur in der Drogenszene, sondern auch weit darüber hinaus unter szenefremden „Freiern“ verbreitet werden.
Erhebliche Kosten erwachsen den Sozialversicherungsträgern überdies auch durch (gesundheitlich und sozial vielfach belastete) Kinder von Drogensüchtigen, ebenso wie durch die starke Verbreitung von Drogenmissbrauch im Straßenverkehr oder auch am Arbeitsplatz.
Alles in allem scheint es an der Zeit, dass sich die Sozialversicherung auch mit den enormen Kosten auseinandersetzt, die im Gefolge des Drogenmissbrauchs entstehen. Diese Mehrbelastung ist nicht „hausgemacht“, sondern größtenteils einer verfehlten Drogenpolitik der staatlichen Organe zuzuschreiben.