Die Autorin:
Kerstin Schütze MBA
ist Mitarbeiterin im Competence Center Integrierte Versorgung und zuständig für Wissensmanagement sowie für die Regionalstelle Wien des österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramms.
KURZFASSUNG
Wien, 8. November 2017: Zahlreiche Besucher zog es zum CCIV-Symposion ins Haus der Musik, um Einblicke in dieses topaktuelle Thema zu erhalten. Nach der Begrüßung durch die CCIV-Netzwerkmanagerin Mag. Romana Ruda (WGKK) startete Dr. Martin Sprenger (Public Health-School, Med. Univ. Graz) den ersten Block, der sich der Beziehung zwischen Integrierter und Primärversorgung widmete.
Unter dem Titel „Zukunftsmotor Gesundheit – Das gelungene Zusammenspiel der Komponenten“ betrachtete er die bestehende Gesundheitsversorgung aus der Public Health-Perspektive. Für ein gelingendes Gesundheitssystem brauche es auch einen entsprechenden Kapazitätsaufbau in Strukturen, Personal, des Wissen, Ressourcen und Führung. Um künftige Gesundheitsprobleme in den Griff zu bekommen, muss ein Umdenken stattfinden, hin zum „Team rund um den Patienten“. Notwendig sind:
- Motivierte Menschen, die Netzwerke bilden und Austausch pflegen,
- eine gesetzliche Grundlage, die das Konzept auf tragfähige Beine stellt, und
- der Strukturplan Gesundheit 2017.
Im zweiten Vortrag widmete sich Prof. Dr. Kathryn Hoffmann (Zentr. für Public Health, Med. Univ. Wien) der „Kooperation Primärversorgung – Integrierte Versorgung im Ländervergleich“: Es soll in der integrierten Versorgung ein Paradigmenwechsel weg vom vertikalen Ansatz im Sinne von Disease Management hin zu einem horizontalen Ansatz stattfinden. Unverzichtbar sind eine starke Versorgungsforschung als Basis, ein Dokumentationssystem sowie die Evaluierung und Qualitätssicherung als auch die finanzielle Verschränkung von ambulanter und stationärer Versorgung.
Abgeschlossen wurde der Block von DI Dr. Stefan Sauermann (FH Technikum Wien), der über „Digital Healthcare als Werkzeug für nahtlose Integrierte Versorgung“ referierte. Digital unterstützte Medizin kann gerade bei chronischen Krankheiten helfen, wenn Patienten Unterstützung verschiedener Gesundheitsdienste-Anbieter (GDAs) brauchen. Integrierte Gesamtlösungen sind für die Kooperation mehrerer GDAs mit der Möglichkeit Patienten nahtlos einzubeziehen geringfügig vorhanden. Einzellösungen seien ein guter Anfang, wichtig wäre, dass sich die Inseln vernetzen.
Im darauffolgenden Block ging es um die Herausforderung einer interdisziplinären Zusammenarbeit. Ein Referat von Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch (EBM Review Center, Med. Univ. Graz), in dem sie als Bedingungen für die Umsetzung der integrativen Zusammenarbeit interprofessionelle Ausbildung, ein Primärversorgungs-Kernteam sowie ein erweitertes Team mit Primärversorgungspartnern nannte, stellte sie dann der aus Mag. Michaela Langer (BÖP), DGKP Ursula Frohner, (Präs. Österr. Gesundheits- und Krankenpflegeverband) und Dr. med. Wolfgang Robert Mückstein (Ärztl. Leiter PHC Wien-Mariahilf) bestehenden Podiumsrunde die Fragen, wie sich Österreich den Herausforderungen stellen kann.
Die Diskutanten waren sich einig, dass es bereits in der Ausbildung und in Folge in Vereinbarungen und Gesetzen der Einbeziehung aller relevanten Gesundheitsberufe bedarf. Den Vormittag beschloss Dr. Timo Fischer (HVB) mit einem Statusbericht zur Primärversorgung in Österreich. Immer mehr wissenschaftliche Studien bestätigen nämlich, dass ein starkes Primärversorgungssystem positive Auswirkungen auf das gesamte Gesundheitssystem sowie vor allem auch auf Patienten hat.
Am Nachmittag bot sich Gelegenheit, den Diskussionsrunden im Block „Quo vadis“ beizuwohnen. Unter der Leitung von Patientenanwalt Dr. Gerald Bachinger tauschten in einer ersten Runde Direktor Mag. Franz Kiesl (OÖGKK) und Dr. Ernest Pichlbauer (Gesundheitsökonom) ihre Ansichten zu Fragen nach zu erwartenden Entwicklungen im Zuge der politischen Neuordnung aus, die naturgemäß kontrovers ausfielen. Die zweite Diskussionsrunde wurde von Mag. Gabriele Jaksch (Präs. MTD Austria) und Dr. Erwin Rebhandl (Ärztl. Leiter Gesundheitszentrum Haslach) bestritten. Dabei fiel auf, dass es aus Sicht der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD) wie auch aus Sicht der Ärzte ein großes Interesse an neuen und erweiterten Formen der Zusammenarbeit gibt. Es geht um Teamarbeit mit wechselnden Kompetenzen.
Abschließend sprach Sc. Dr. Clemens M. Auer (BM für Gesundheit) zur „Neuordnung der Primärversorgung: letzte Chance“. Die wenig wettbewerbs- und leistungsfähige Versorgungsstruktur führe im Bereich der Primärversorgung zu einer „schleichenden Privatisierung“. Ein weiteres Problem stelle die „Kultur der Beharrlichkeit“ bei den Interessensvertretungen dar. Zur Gründung von Primärversorgungseinheiten seien vor allem Vereinfachungen maßgeblich:
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Interesse an einer Neuordnung der Primärversorgung sehr groß ist. Die Teilnehmer waren sich ziemlich einig, dass, um wegbereitend für eine integrierte Zukunft und breitenwirksam versorgungswirksam tätig sein zu können, noch viele Herausforderungen gemeistert werden müssen, wobei die grundsätzliche Bereitschaft seitens der beteiligten Gesundheitsberufe – inklusive der Ärzteschaft sowie auch der Sozialversicherung – gegeben ist.