Der Autor:
Dr. Thomas Czypionka
ist Leiter des Bereichs Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik am Institut für Höhere Studien.
Die Primärversorgung war das Thema von Diskussionen, wissenschaftlicher Arbeiten und wichtiges Leitprojekt der Gesundheitsreform. Zwei Vienna Healthcare Lectures widmeten sich diesem Thema und diesbezüglich hat die Zukunft deutlich an Konturen gewonnen. Wie sieht es aber mit der ambulanten Sekundärversorgung aus? Welche Änderungen sind hier, auch im Sinn der Reform der Primärversorgung, nötig? Diesen Fragen gingen die Vienna Healthcare Lectures 2017 unter dem Thema „Ambulante Sekundärversorgung neu gedacht – Innovative Modelle und neue Wege“ nach, die im September 2017 stattfanden.
Am Beginn stand ein Impulsreferat zum Thema „Reorganisation der ambulanten Fachversorgung als zentrale Maßnahme in der Zielsteuerung-Gesundheit“. Im Anschluss daran diskutierten die Teilnehmer der VHCL im Rahmen eines World Cafés über die Defizite in der derzeitigen ambulanten Fachversorgung sowie über Ideen für deren zukünftige Ausgestaltung sowie die Herausforderungen bei deren Umsetzung. An den folgenden Tagen referierten internationale Experten über innovative Modelle und neue Wege von ambulanter Fachversorgung in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Spanien und UK. Das Ende der VHCL 2017 bildete eine Abschlussdiskussion der Teilnehmer bei der wichtige Lehren für das österr. Gesundheitswesen gesammelt werden konnten. Im Zentrum der Diskussion standen die Herausforderungen, vor denen eine Neuorganisation der ambulanten Fachversorgung steht, wie etwa die bestehenden, historisch gewachsenen Strukturen und der geringe Innovationswille in Österreich sowie die Sicherstellung einer funktionierenden Primärversorgung und klar definierter Versorgungsaufträge.
Im Zuge der Abschlussdiskussion konnten auf Basis der Diskussionen im World Café und der Erkenntnisse aus den internationalen Vorträgen wichtige Lehren für das österreichische Gesundheitswesen gesammelt werden. Im Zentrum standen insbesondere die Herausforderungen, vor denen eine Neuorganisation der ambulanten Fachversorgung steht.
Eine zentrale Herausforderung stellt dabei die Lenkung der Patienten dar, die verbessert werden muss, um die ambulante Fachversorgung effizient ausgestalten zu können. Hierzu muss einerseits erörtert werden, ob die freie Wahl der Versorgungsstufe noch zeitgemäß ist und andererseits ein echter „Best-Point-of-Service“ ausgemacht werden kann. Zudem bedarf es einer fixen Anlaufstelle, die die Patienten bei der Navigation durch das Gesundheitssystem unterstützt. Als weitere Voraussetzung müssen attraktive Angebote für Patienten geschaffen werden.
Als eine weitere Herausforderung bei der Neuorganisation der ambulanten Fachversorgung werden die derzeit bestehenden und historisch gewachsenen Strukturen angesehen, die alles andere als ideal sind und verbessert werden müssen. In diesem Zusammenhang sollte der zukünftige Umgang mit der „doppelten Facharztschiene“ geklärt werden. Eine Abschaffung dieser wird aufgrund der Vielzahl an involvierten Stakeholdern als schwierig angesehen. Jedenfalls müssen vorhandene Doppelstrukturen besser genutzt werden, um eine verbesserte regionale Abstimmung zwischen niedergelassenen Fachärzten und Spitalsambulanzen zu erreichen. Die bestehenden und historisch gewachsenen Strukturen bedingen ebenfalls unklar definierte Versorgungsaufträge. Im Rahmen einer Neuorganisation der ambulanten Fachversorgung gilt es, diese klar zu definieren, sowohl für den stationären als auch den ambulanten Bereich.
Leistungserbringer benötigen auch eine Reihe von Unterstützungsleistungen, um erfolgreich zu sein. Gesundheitspersonal ist meist nicht in rechtlichen oder betriebswirtschaftlichen Fächern ausgebildet. Organisation, Personalführung, IT-Systeme oder Vertragsgestaltung stellen z.B. große Hürden dar. Es empfiehlt sich daher, für diese Bereiche eine gemeinsame Unterstützungseinheit zu etablieren, die einzelnen Initiativen unter die Arme greift.