Die AutorInnen:
MMag. Almina Besic
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Personalpolitik der Universität Graz. Forschungsschwerpunkte: Beschäftigungsstrategien in Organisationen in Bezug auf Personen mit Migrationshintergrund, Internationales Personalmanagement mit Blick auf Südosteuropa.
MMag. Amela Mesan
ist Firmenkundenberaterin der Oberbank AG.
Mag. Dr. Margit Sommersguter-Reichmann
ist ao. Univ.-Prof. am Institut für Finanzwirtschaft der Universität Graz. Forschungsschwerpunkte: Gesundheitsökonomie und Nicht-parametrische Produktionstheorie.
MMag. DDr. Gerhard Reichmann
ist ao. Univ.-Prof. am Institut für Informationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik der Universität Graz. Forschungsschwerpunkte: Gesundheitsökonomie, Evaluierung und Informationsrecht.
KURZFASSUNG
Seit Barack Obama seine Bestrebungen zur Umsetzung einer Gesundheitsreform in den USA durchgesetzt hat, wird das US-amerikanische Gesundheitssystem auch diesseits des Atlantiks interessiert verfolgt. Vergleicht man das US-amerikanische Krankenversicherungssystem (KV-System) vor der Reform mit dem österreichischen, so prallen zwei Welten aufeinander: Einerseits das Prinzip vollständig eigenverantwortlicher Vorsorge für den Krankheitsfall, andererseits ein solidarisch finanziertes Pflichtversicherungssystem mit einer grundsätzlich für jeden zugänglichen Gesundheitsversorgung. Die mit der jeweiligen Ausgestaltung zusammenhängenden Probleme sind bei beiden Systemen allgemein bekannt: In den USA hatten im Jahr 2009 ca. 50 Mio. Personen, d.h. fast 17 % der Bevölkerung, keinen Krankenversicherungsschutz. Im Vergleich dazu sind dies in Österreich ca. 100.000 Personen, d.h. nur etwas mehr als 1 % der Bevölkerung. Trotz oder vielleicht gerade wegen der hohen Zahl an Nicht-Versicherten gaben die USA 2009 mehr als 16 % vom BIP für Gesundheit aus, das sind in absoluten Zahlen ca. 2.300 Mrd. US$ bzw. umgerechnet etwa 7.400 US$ pro Kopf. In Österreich betrug der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP im Jahr 2009 11 %, in absoluten Zahlen bedeutet dies rund 30 Mrd. Euro bzw. 3.600 Euro pro Kopf.
Im Hinblick auf die Finanzierung von Gesundheitsleistungen stehen beide Länder vor derselben Herausforderung, die darin besteht, das Kostenwachstum einzudämmen: In Österreich ist dies unumgänglich, will man bei gleichbleibender oder sogar steigender Qualität die bisherigen Versorgungsstandards beibehalten, in den USA verschärft sich die Finanzierungsproblematik, als zusätzlich zu den bereits hohen Gesundheitsausgaben in % vom BIP auch noch die hohen Kosten der Umsetzung der Gesundheitsreform, deren wesentlichstes Ziel die Ausdehnung des Krankenversicherungsschutzes auf möglichst viele US-Bürger ist, abgefangen werden müssen.
Über einen Vergleich des „reformierten“ US-amerikanischen KV-Systems mit dem österreichischen KV-System wird untersucht, ob und inwieweit eine Angleichung der beiden Systeme stattgefunden hat. Unter dem Begriff „reformiertes“ KV-System wird dabei das KV-System unter Berücksichtigung der als wesentlich erachteten Reformmaßnahmen verstanden. Es wird der Vergleich auf jene Interessengruppen, die von der Reform besonders stark betroffen sind, beschränkt. Bei diesen Gruppen handelt es sich auf Seiten der Versicherten einerseits um Pensionisten ab einem Alter von 65 Jahren und andererseits um einkommensschwache Erwerbstätige, die sog. „working poor“. Die beiden weiteren betrachteten Interessengruppen sind private Krankenversicherer, die in den USA nunmehr einer stärkeren Regulierung unterworfen sind, sowie kleine bis mittlere Unternehmen in ihrer Rolle als Dienstgeber (DG), die u.a. durch Steuerbegünstigungen verstärkt dazu animiert werden sollen, ihren Dienstnehmern eine betriebliche Krankenversicherung (KV) anzubieten. Nachdem in den USA die betriebliche KV für (nicht-einkommensschwache) Erwerbstätige und deren Angehörige die verbreitetste Form einer KV darstellt, wird in der Folge über die Betrachtung der Situation der privaten Krankenversicherer sowie der Unternehmen auch diese zahlenmäßig große Interessengruppe indirekt berücksichtigt. Um letztlich das Ausmaß einer allfälligen Annäherung des KV-Systems der USA an das österreichische KV-System beurteilen zu können, erfolgt für jede der erwähnten Interessengruppen eine Gegenüberstellung mit der Situation der entsprechenden Interessengruppe in Österreich. Um die Vergleichbarkeit zu erleichtern, werden die Dimensionen „Zugang“, „Umfang“ und „Finanzierung“ betrachtet.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Gesundheitsreform in den USA im Hinblick auf die KV sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung war, aber die Situation für Versicherte bzw. Versicherungswillige selbst bei Umsetzung aller geplanten Maßnahmen noch bei weitem nicht so gut sein wird wie in Österreich jetzt. Inwieweit die Reform tatsächlich Früchte trägt, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Den Budgetverhandlungen im April 2011 ist leider schon eine Reformmaßnahme, nämlich die Option für DN, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen aus einer betrieblichen KV auszusteigen, um sich unter Rückgriff auf einen Gutschein in Höhe des DG-Beitrags zur betrieblichen KV über die KV-Börse direkt zu versichern, zum Opfer gefallen.