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Populationsbezogene Versorgungsmodelle – eine Standortbestimmung


Dr. Fischer TimoDie Autoren:
Dr. Timo Fischer ist Mitarbeiter in der Abteilung für Grundsatzangelegenheiten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Sein Interessenschwerpunkt ist Sozialpolitik, insbesondere Fragen der sozialen Krankenversicherung.



Mag. Sanja Korac (WGKK) Mag. Sanja Korac (WGKK)






KURZFASSUNG

Gesundheitspolitik hat sich in Österreich in der Vergangenheit vorwiegend im Rahmen einer ökonomisch determinierten Kostendämpfungspolitik bewegt. Die Ergebnisse dieses Ansatzes sind bislang jedoch eher desillusionierend und der Kostenanstieg im Gesundheitswesen konnte bis dato kaum aufgehalten werden. Gleichzeitig sind aufgrund demographischer Entwicklungen und des medizinisch-technischen Fortschritts mit immer besseren und teureren Untersuchungs- und Therapiemöglichkeiten künftig steigende Gesundheitsausgaben zu erwarten.
Um auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige und zugleich auch leistbare Versorgung für alle zu sichern, bedarf es einem Umdenken in der Reformdiskussion hin zu substantielleren Veränderungen wie etwa der Einführung von populationsbezogenen Versorgungsmodellen. Doch was sind populationsbezogene Versorgungsansätze? Dieser Frage geht der Beitrag nach und zeigt eine Begriffsbestimmung, bei der die Gegebenheiten im österreichischen Gesundheitswesen berücksichtigt werden, auf.

In der Literatur werden alternative Versorgungsformen oft unter Care Management zusammengefasst. Im Hinblick auf das heimische Gesundheitssystem mit dem Hintergrund der starken Fragmentierung wird dieses Themenfeld jedoch meist mit dem Begriff der integrierten Versorgung überschrieben. Folgt man dem Weißbuch der österreichischen Sozialpolitik, bedeutet Integration im Gesundheitswesen die Vermeidung negativer Auswirkungen von Versorgungsschnittstellen durch die Optimierung von Behandlungsprozessen unter Beachtung medizinischer und ökonomischer Gesichtspunkte. Das Ziel der integrierten Versorgung ist somit die Bereitstellung einer umfassenden, koordinierten und kontinuierlichen Dienstleistung und die Sicherstellung eines nahtlosen Versorgungsprozesses.

Populationsbezogene Versorgung bedeutet immer eine gewisse Melange aus patientenzentrierten, vergütungstechnischen und leistungsbezogenen Instrumenten. International werden solche Ansätze durch Hausarztmodelle, Ärzte- bzw. ambulante Versorgungszentren, Ärztenetze und Gruppenpraxen oder in der Gestalt eines Case- bzw. Entlassungsmanagements umgesetzt. In Österreich finden sich aufgrund der limitierten gesetzlichen Möglichkeiten derzeit nur kooperative Ansätze und zwar – beschränkt fächerübergreifende – Gruppenpraxen sowie ein Gesundheitsnetz.

Populationsbezogenen Versorgungsmodellen ist wie fast allen Versorgungsformen abseits der Regel die Unterstellung gemein, eine Geburt des Ökonomiegebots zu sein und eine Verschlechterung der Versorgung mit sich zu bringen. Dabei werden vor allem in der Finanzkrise ökonomische Ansätze im Gesundheitswesen von breiten Teilen der Leistungserbringer wie auch in politischen Diskussionen als unethisch oder sogar moralisch verwerflich angesehen. Diese Einschätzung ist insofern falsch, da Medizin und Ökonomie keine Gegensätze darstellen. Schließlich zeigt sich erst bei Knappheit die wahre Ethik, denn ökonomisches Handeln ist ethisches Handeln, da es zu einer sparsamen Verwendung und weniger Verschwendung limitierter Ressourcen beiträgt.
Dessen ungeachtet scheint der ethische Vorbehalt gegenüber wirtschaftlichen Effizienzkalkülen derzeit dazu zu führen, dass auch kostspielige Strukturen, die längst nicht mehr adäquat sind, in der politischen Diskussion und somit auch real überleben. Zudem sind die Vorteile und nicht-ökonomische Effekte der populationsbezogenen, innovativen Versorgung nicht von der Hand zu weisen: Doppeluntersuchungen und entsprechende Belastungen für die Patienten werden vermieden, der Erfahrungsaustausch zwischen Leistungserbringern wird gefördert und somit die Behandlungsqualität erhöht, Angebote patientenorientierter gestaltet sowie Serviceleistungen gefördert und die Behandlungskette besser koordiniert.

Zuletzt aktualisiert am 28. Februar 2022