Der Autor:
Mag. Dr. Felix Proksch
ist Direktor der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates.
KURZFASSUNG
Analyse und Kommentar des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 5. März 2009 in der Rechtssache Kattner Stahlbau GmbH gegen die Maschinenbau-Berufsgenossenschaft.
Mit dem Urteil des EuGH vom 5. März 2009 (C-350/07) hat dieser erstmals einen Sozialversicherungsträger – im konkreten Fall einen deutschen Unfallversicherungsträger – sowohl am Wettbewerbsrecht der EU als auch an der Dienstleistungsfreiheit gemessen. Dabei hat der EuGH zwar im Ergebnis bestätigt, dass sich die deutsche Unfallversicherung im Einklang mit dem EU-Recht befindet, der EuGH zeigt jedoch in seinem Urteil eindeutig Tendenzen in Richtung Öffnung der Sozialversicherung hin zu einem Wettbewerb mit den privaten Versicherern.
Im Kattner-Urteil selbst hat der EuGH zum Teil aufbauend auf seiner bisherigen Rechsprechung einen umfangreichen Katalog an Kriterien aufgestellt, die für die Einhaltung sowohl der Wettbewerbsvorschriften als auch der Dienstleistungsfreiheit relevant sind. Im Vordergrund stehen dabei die Ausprägung des Solidaritätsgrundsatzes und die staatliche Aufsicht.
Während die österreichische Unfallversicherung und die Krankenversicherung unter Berücksichtigung der vom EuGH genannten Kriterien kaum Gefahr laufen, in Konflikt mit dem Wettbewerbsrecht oder die Dienstleistungsfreiheit zu geraten, wird im Bereich der Pensionsversicherung durch die Verstärkung des Äquivalenzprinzips im Zuge der letzten Pensionsreformen doch das Risiko der Aufgabe der durch die Pflichtversicherung bedingten Monopolstellung und damit der – zwangsweisen – Öffnung hin zum Wettbewerb mit den Privatversicherern erhöht. Noch mehr gefährdet, ihre Monopolstellungen zu verlieren, sind allerdings berufsständische Versorgungswerke, die sich zu einem großen Teil nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanzieren, sowie die Pensionsinstitute für Verkehr und öffentliche Einrichtungen und der Linz AG.
Schließlich erscheint fraglich, ob das seit dem Jahr 2000 bestehende „Opting-out“ in der Krankenversicherung von freiberuflich tätigen Mitgliedern der jeweiligen Kammern einer Prüfung durch den EuGH nach den Wettbewerbsregeln bzw. nach der Dienstleistungsfreiheit Stand halten würde.
Für Sozialversicherungsträger ist somit ein Festhalten am Solidaritätsgrundsatz bzw., wenn möglich, sogar dessen Verstärkung anzuraten, um weiterhin ihre für den Erhalt des finanziellen Gleichgewichtes notwendige Monopolstellung aufrechterhalten zu können.