„Regionale Bedürfnisse, zentrale Entscheidungen“ lautete der Titel jenes hochkarätig besetzten Diskussionsabends, die am 4. April in Kooperation mit der Tageszeitung „Der Standard“ in den Räumlichkeiten des Hauptverbandes stattfand.
Es dauerte bei der Diskussion nicht lange, ehe die ersten Diskutanten das Reformziel in Zweifel zogen. „Da die Probleme ja im Detail liegen, wird es noch ein langer Weg werden, um dieses Ziel zu erreichen“, stellte der HVB-Vorsitzende Alexander Biach, zu Beginn fest. Und nennt ein Beispiel: „Die Krankenfürsorgeanstalten der Länder und Betriebskrankenkassen verschwinden ja nicht, sie befinden sich nur nicht mehr unter dem Dach der Sozialversicherung“. Und was die „Patientenmilliarde“ betrifft, ist diese eher durch die Fortsetzung der im Jahr 2013 eingeleiteten Gesundheitsreform und einer besseren Abstimmung zwischen den einzelnen Akteuren im heimischen Gesundheitssystem zu holen, als durch Einsparungen in der SV-Verwaltung. Biach: „Von den in der Bundeszielsteuerungskommission festgelegten 49 Maßnahmen befinden sich noch immer 35 in Umsetzung“. Und darin ist sich die Diskussionsrunde, bestehend aus Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, dem Gesundheitslandesrat in Salzburg, Christian Stöckl, dem Geschäftsführer des steirischen Gesundheitsfonds, Michael Koren sowie dem NÖ Patientenanwalt Gerald Bachinger, einig. Hacker: „Die Geschwindigkeit dieser Reform wird sicherlich abrupt abgestoppt. Daher kann ich nicht sagen, ob die geplante Strukturreform der Sozialversicherung für die Wiener tatsächlich Verbesserungen bringen wird“. Ähnlich argumentiert Christian Stöckl: „Mir fehlt derzeit aber noch der Durchblick, was diese Strukturreform letztlich wirklich für die Patienten bringen wird“.
Darin, dass die Akteure des Gesundheitssystem lernen sollten, „kundenorientiert“ im Sinne der Patienten und Versicherten zu denken, sind sich alle einig. Und Bachinger: „Das Wichtigste bei jeder Reform ist, die Versorgungs- und Servicequalität für die Menschen durch eine zentrale Steuerung bei gleichzeitiger regionaler Umsetzung zu verbessern. Die Bevölkerung strukturschwacher Gebiete hat Angst davor, dass nach der Polizeidienststelle und den Nahversorgern jetzt auch noch der Arzt weggeht. Daher ist es notwendig, diesen Menschen entsprechende Alternativen anzubieten.“
Dass die durch den Abschluss des Gesamtvertrages mit der Ärztekammer in den Startlöchern stehenden Primärversorgungseinheiten diese Alternative sein könnten, sind sich die Diskutanten ebenfalls einig. Stöckl: „Diese Primärversorgungseinheiten sollten als Zentren oder auch als Netzwerke dort angesiedelt werden, wo Probleme mit der medizinischen Versorgung bestehen.“
Michael Koren sieht das ebenso: „Die Menschen wollen die beste medizinische Versorgung vor Ort. Und das 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr und in bester Qualität.“ Das Problem: „Die Ärzte gehen nicht dorthin, wo wir sie eigentlich haben wollen. Die neuen PVE’s könnten“, so Koren weiter, „hier eine Abhilfe schaffen und seien ein guter Weg, um z.B. etwa Ärzte ins Ausseerland zu bringen.“
Die Frage, ob diese regionalen Bedürfnisse durch die Umstrukturierung der bisherigen Gebietskrankenkassen zur ÖGK ausreichend berücksichtigt werden können und welche Folgen dies konkret für die Patienten hat, blieb unbeantwortet. Dabei war es interessanterweise die WHO selbst, zu deren Anlass – dem Tag der Weltgesundheit – eigentlich diskutiert wurde, die bereits im Jahr 1969 festgestellt hat, dass „die Existenz so vieler Sozialversicherungsträger nicht wirklich geeignet sei, die Entwicklung eines rationell aufeinander abgestimmten Systems zu fördern.“
Dieter Holzweber (Hauptverband)