Finanzielle Grenzen des Behandlungsanspruchs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Das rechtliche Symposium von SV-Wissenschaft in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg, Fachbereichsteil Arbeits- und Sozialrecht fand am 25.06.2009 auf der Edmundsburg in Salzburg unter dem Titel Finanzielle Grenzen des Behandlungsanspruchs in der gesetzlichen Krankenversicherung statt.
Das diesjährige Symposium war eine Fortsetzung der letztjährigen Veranstaltung, deren Ergebnisse in einem von Ao. Univ.-Prof. Dr. Walter J. Pfeil herausgegebenen Tagungsband im Manz-Verlag erschienen sind. Standen im letzten Jahr Ursachen der Finanzierungsprobleme und Rahmenbedingungen sowie Möglichkeiten für deren Bewältigung im Vordergrund, waren heuer deren mögliche Auswirkungen für die Versicherten und deren Ansprüche das zentrale Thema.
Nach der Begrüßung durch Herrn Vizerektor für Lehre der Universität Salzburg Ao. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler hob Gesundheitsminister Alois Stöger hervor, dass erstmals zu den Beiträgen öffentliches Geld zugeschossen wird und daher ein neuer Schritt Richtung Mischfinanzierung gesetzt wurde.
Im ersten Referat zum Thema Ehische Grundfragen - "Monethik statt Ethik" von Frau Dr. Nadja Maria Lobner in Vertretung von O. Univ.-Prof. DDDr. Clemens Sedmak plädierte diese dafür, Gesundheit nicht als Konsumgut zu betrachten, denn dabei unterlaufen Individuen 4 Denkfehler, nämlich das kurzfristige, technokratische, individuelle und unrealistische Denken in Bezug auf Gesundheit. Gesundheit soll vielmehr als Ressource 2. Ordnung verstanden werden, daher als Fähigkeits-Fähigkeit. Da ein gerechtes Symstem wohl nicht erreicht werden kann, muss man sich bemühen es anständig zu gestalten.
In zweiten Beitrag untersuchte O. Univ.-Prof. DDr. Christian Kopetzki den Stand der Wissenschaft in Bezug auf Behandlungen und fragte sich, wie dieser gefasst wird und woraus dieser ableitbar ist. Eine zentrale Frage ist dabei, wie medizinische Standards in den Rechtsbestand übernommen werden und wie andererseits für medizinische Standards Verbindlichkeit durch Rechtsquellen bzw. -normen erzeugt werden kann. Je nach Verkehrskreis wird man auch von unterschiedlichen Standards ausgehen müssen, meinte Kopetzki.
Ausgehend von einem Vergleich Deutschland-Österreich wurde die Thematik Wirtschaftlichkeitsgebot in der Krankenversicherung von Dr. Markus Kletter analysiert. Im Ergebnis kam Kletter zum Schluss, dass sich die Realisierung von Leistungsansprüchen zwischen 2 völlig gegensätzlichen Tendenzen bewegt. Einerseits reduziert die derzeitige, überaus kritikwürdige Judikatur des OGH das Kostenargument auf Fälle gleicher Wirksamkeit und setzt es mit dem Argument der "Betroffenheitsdichte" weitgehend außer Kraft. Andererseits gibt es keine Ausgleichsmöglichkeit für das bestehende Manko auf der Einnahmenseite, was zu chronischen Finanzierungsproblemen führt.
Univ.-Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen erläuterte mögliche Steuerungsmechanismen in der Krankenversicherung und analysierte die Thematik ausgehend von einem Vergleich der 3 grundsätzlichen Systemansätze für soziale Sicherheit. Eine Rationierung soll dabei schon bei der Kapazitätsplanung ansetzen und ist jedenfalls vorzunehmen, wenn der Nutzen zu klein wird. Steuerungsmaßnahmen in Form von Selbstbeteiligungen der Versicherten sind nur in Form des Arzt-Erstkontakts wirkungsvoll, ansonsten besteht die Gefahr der Selektivität der Wirksamkeit - je niedriger das Einkommen ist, desdo höher die Wirkung. Dies geht mitunter so weit, dass der Gesundheitszustand der Einkommensschwächsten sogar negativ beeinflusst wird. Eine Steuerung soll daher nur auf der Ebene der Versicherungen mit den Leistungserbringern erfolgen, so Rothgang.
Einen Kostenvergleich bei ambulanter und stationärer Behandlung erläuterte Dr. Max Laimböck in seinem Beitrag. Der Kostenvergleich erfolgte auf der Basis eines Vergleichs zwischen allgemeinen Ambulanzen von Krankenhäusern mit niedergelassenen Facharztpraxen. Der Vergleich führte zu Tage, dass die Kosten in Ambulanzen niedriger sind bzw. jedenfalls nicht höher. Die Arzthonorare spielen bei den Facharztpraxen einen wesentlichen Faktor auf der Kostenseite. Laimböck kritisierte, dass Österreich den internationalen Studien und wissenschaftlichen Untersuchungen zum Gesundheitswesen und der Krankenversicherung in den letzten Jahren praktisch tatenlos zugesehen habe und so das System gleichsam erstarrt sei.
Abgerundet wurde das Symposium durch das Thema Haftungsrecht als Kostentreiber und untersuchte O. Univ.-Prof. RA Dr. Friedrich Harrer dabei die Frage, welche haftungsrechtlichen Perspektiven bei einer Ressourcenverknappung in Bezug auf den Sorgfaltsstandard entstehen. Das Leistungsangebot eines Versicherungsträgers beschränkt den/die Arzt/Ärztin rein rechtlich nicht im Rahmen der Behandlung. Harrer plädiert als Alternative zu Verknappungsmaßnahmen für eine neue Fehlerkultur und eine neuen Umgang mit Behandlungsfehlern. Statt diese quasi unter den Teppich zu kehren, sollten sie als Lernmöglichkeit und Chance zur Vermeidung zukünftiger Fehler verstanden werden. Das Aufzeigen, Sammeln und Sichten solcher Fehler und Fast-Fehler könnte eine Alternative für Einsparungsmöglichkeiten darstellen.
Für Herbst 2009 ist eine Publikation mit allen Beiträgen geplant.