Im Sommersemester 2012 fanden wieder Praxisseminare in Zusammenarbeit zwischen SV-Wissenschaft und der Universität Salzburg, Fachbereichsteil Arbeits- und Sozialrecht bzw. dem Schwerpunkt Recht, Wirtschaft und Arbeitswelt statt.
Das erste Praxisseminar am Donnerstag, 26.04.2012, widmete sich dem Thema Sozialversicherungsrecht und Aufenthaltsrecht.
Mag. Johannes Peyrl von der AK Wien ging in seinen Ausführungen auf verschiedene Problemebereiche ein. Mag. Peyrl legte anhand der Beispiele Unterhaltsmittel und Ausgleichzulage, Arbeitslosenversicherung und Aufenthaltsrecht, Mitversicherung in der Krankenversicherung und Aufenthalt im Inland sowie Anspruchsberechtigung in der Sozialversicherung und unberechtigt aufhältige Personen, dass es eine Vielzahl an Berührungspunkten zwischen den beiden Rechtsgebieten gibt. Mag. Peyrl kam beispielsweise zu dem Schluss, dass trotz eines etwaig nichtigen Dienstverhältnisses mangels Aufenthaltstitels aus dem Schutzzweck des Sozialversicherungsrechts heraus ein Leistungsanspruch, aber natürlich auch eine Beitragspflicht entstehen können.
Prof. Dr. Bernhard Spiegel vom BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz legte den Schwerpunkt seiner Ausführungen aud das Spannungsverhältnis Ausgleichszulage und EWR-Pensionisten. Prof. Dr. Spiegel kam zu dem Schluss, dass diese Situation rechtlich unklar ist. Die Problematik bestehe, so Spiegel, in erster Linie auch darin, dass es sich um politische Fragestellungen handle: Wie weit geht die in der EU die Integration, die Freizügigkeit, die Solidarität mit anderen Mitgliedsstaaten? Ist Europa schon so weit, dass jeder EU-Bürger in einen anderen Mitgliedsstaat übersiedeln kann, um dort die Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen? Österreich jedenfalls reagierte innerstaatlich mit verschärften Kontrollmechanismen und einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Aufenthaltsbehörden. Die Praxis zeigte sich dadurch um einiges restriktiver.
Das Praxisseminar am Donnerstag, 31.05.2012 hatte als Inhalt die trans border healthcare directive - Patientenmobilitätsrichtlinie.
Ass.-Prof. Dr. Günter Herzig von der Universität Salzburg, SCEUS, sah den Beginn einer Europäisierung der Gesundheitspolitik schon am Anfang der europäischen Integration. 1952 sprach Schuman schon von einer "Europäischen Gesundheitsgemeinschaft". Jahrezehntelang wurde die EU aber in diesem Bereich nicht tätig, so dass quasi der EuGH durch seine Rechtssprechung in diesem Bereich Impulse gesetzt hat. Zahlreiche Entscheidungen sowohl auf der Anbieter-, als auch Nachfrageseite setzten den Ausgangspunkt für die neue Richtlinie.
Dr. Ferdinand Felix vom Hauptverband sah in seinem Statement ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen der neuen Richtlinie und der bereits bestehenden VO 883/2004 im Sozialbereich. Positiv an der neuen Richtlinie sei zu bewerten, dass eine gewisse Rechtssicherheit eintrete und das Rechtsgebiet nicht mehr von Richterrecht abhängig ist. Problematisch seien jedoch die vielen Kann-Bestimmungen und die generell notwendige Umsetzung in allen Mitgliedsländern. Ebenfalls fraglich sei, ob nicht eine Gefahr für die jeweils nationalen Systeme bestehe und Inländer unter Umständen schwerer zu den einzelnen Leistungen gelangen könnten.
Beide Referenten waren sich aber darüber einig, und auch die sehr spannende Diskussion im Rahmen des Praxisseminars förderte dies zu Tage, dass hier noch sehr großes Potential in Richtung Harmonisierung seitens der EU besteht.
Das dritte Praxisseminar am Mittwoch, 27.06.2012, widmete sich dem Thema "Aktuelle Fragen zum Vertragspartnerrecht".
O. Univ.-Prof. Dr. Konrad Grillberger (Universität Salzburg) und Dr. Johannes Gregoritsch (Hauptverband) konzentrierten sich dabei in einer Art "Doppelconference" auf Aspekte der Qualität im Gesundheitswesen insbesondere in Bezug auf Gesamtverträge. Ausgehend von der These, dass Qualität - insbesondere den Inhalt der Behandlung durch die ÄrztInnen betreffend - immer bedeutsamer wird, sahen die Referenten jedoch auch große Herausforderungen, insbesondere durch die generelle ökonomische Notwendigkeit in der Gesundheitsversorgung im Sinn eines "Spardrucks". Die Referenten unterschieden zwischen subjektiver und objektiver Qualität und sahen mehrfache Interessenkonflikte bei PatientInnen - angemessene Krankenbehandlung, sichere Untersuchungsmethoden, Krankenversicherungsträgern - Beachtung finanzieller Rahmenbestimmungen, bestmögliche Qualität, Ärztekammern - breite, bestmögliche Berufsausübungsgarantie für ÄrztInnen, und den ÄrztInnen selbst - ethisches Handeln, Einkommenserzielung.
Als zentrale Fragestellung wurden in der Folge die Möglichkeiten einer gesamtvertraglichen Regelung hinsichtlich Qualitätsfragen erörtert. Grillberger und Gregoritsch zeigten dabei auf, dass einige Rechtsprobleme in Bezug auf Qualitätsregelungen in Gesamtverträgen, jedoch auch zahlreiche Möglichkeiten bestehen. Die Beschränkungen der Verrechenbarkeit von Leistungen, ein Bonus-Malus-System bei der Honorargestaltung und der Ausschluss von unwirksamen Leistungen sind nach Ansicht der Referenten in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung gangbare Möglichkeiten. Eine Beschränkung des Behandlungsanspruches durch einen Gesamtvertrag ist jedoch sicherlich nicht möglich.
Das Thema bietet sicherlich noch Raum für weitere Überlegungen und SV-Wissenschaft wird die Thematik daher weiter verfolgen.
Die entsprechenden Vortragsunterlagen stehen hier zum Download zur Verfügung:
Unterlage Spiegel (PDF, 28 KB)
Unterlage Herzig (PDF, 670 KB)
Unterlage Grillberger-Gregoritsch (PDF, 800 KB)