DRUCKEN

Praxisseminare 2017

In Zusammenarbeit mit dem Fachbereichtsteil Arbeits- und Sozialrecht der Universtität Salzburg veranstaltete die SV-Wissenschaft auch 2017 wieder die bekannten Praxisseminare.

Junge Menschen bei Seminar

Im Sommersemester 2017 standen folgende Themen am Programm:


Donnerstag, 18.05.2017, 13.00 Uhr, HS 213

Aktuelle Fragen des Ausgleichszulagenrechts

Einleitungsreferate:

Univ.-Prof. Dr. Walter J. Pfeil

Dr. Klaus Kapuy (Pensionsversicherungsanstalt)


Mittwoch, 21.06.2017, 13.00 Uhr, HS 203

15a Vereinbarung neu und Vertragspartnerrecht

Einleitungsreferate:

Univ.-Ass. MMag. Dr. Birgit Schrattbauer (Universität Salzburg)

Dr. Herwig Ostermann (Gesundheit Österreich GmbH)


Die Praxisseminare fanden in der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, Churfürststraße 1, 5020 Salzburg statt. 


Weitere bereits stattgefundene Praxisseminare

Am Donnerstag, 20.04.2017, fand an der Universität Salzburg das erste Praxisseminar mit einem Judikaturupdate im Melde-, Versicherungs- und Beitragsrecht nach allen SV-Gesetzen statt. Als Referentin konnte Dr. Angela Julcher, Hofrätin des VwGH, gewonnen werden.


Im ersten Themenblock ging es um die Frage der Revisionszulässigkeit an den VwGH und zeigt hier die Praxis, dass bis dato im Sozialversicherungsbereich sehr wenige Revisionen vom VwGH zugelassen wurden, wobei aber dennoch eingebrachte außerordentliche Revisionen immer wieder erfolgreich waren. Für die Zulässigkeit muss eine "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" vorliegen und vom Revisionswerber auch entsprechend dargelegt werden, worin diese liegt. Gelingt diese Darlegung nicht, ist eine Revision zurückzuweisen.


Im zweiten Themenblock ging es um die aktuelle Thematik der Umqualifizierung von selbständigen auf unselbständige Erwerbstätige anhand des Beispiels von Skilehrern (VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0011, veröffentlicht in ARD 6536/15/2017). Hier wurden die Gesellschafter einer OG zu echten Dienstnehmern umqualifiziert, da die Skilehrer keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung hatten und sich auch nicht generell vertreten lassen konnten. Sie waren in die Organisation der Skischule eingebunden und unterlagen somit der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit.

Im Rahmen einer Nachfrage aus dem Publikum bekräftigte Frau Dr. Julcher auch nochmals die Sichtweise des VwGH, wonach als erster Beurteilungsschritt immer die persönliche Abhängigkeit zu prüfen ist und danach ob eventuell ein freies Dienstverhältnis vorliegt. Bei dieser Prüfung spielen dann auch vorhandene Betriebsmittel eine Rolle.

Dazu passend wurde auch die Entscheidung der Pflichtversicherung von Immobilienvermittlern präsentiert (VwGH 23.12.2016, Ra 2016/08/0144, veröffentlicht in ARD 6542/15/2017), die auch die Prüfreihenfolge bei der Abgrenzung von selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigen ausführlich darlegt.


Im dritten Themenblock wurde die Pflichtversicherung von Vortragenden behandelt. Anhand einer letzten Entscheidung des VwGH dazu (VwGH 03.11.2016, Ra 2016/08/0164, veröffentlicht in ARD 6542/16/2017) wurde dargelegt, dass eine Vortragstätigkeit nach Ansicht des VwGH in der Regel kein Werk ist, weil keine gewährleistungspflichtige Leistung erbracht wird. Anhand der Kriterien "Einbindung in die Betriebsorganisation, Kontrollmöglichkeiten und Determinierung durch Richtlinien" wird die Prüfung einer möglichen persönlichen Abhängigkeit geprüft.


Im vierten Themenblock wurde das Thema Verfahrensrecht behandelt. Anhand verschiedener Entscheidungen des VwGH (alle VwGH: 2013/08/0244, Ra 2016/08/0057, Ro 2016/08/0004 und Ra 2015/08/0175) wurde dargelegt, dass insbesondere die Feststellung von Tatbestandselementen im Spruch einer Entscheidung nicht möglich ist, sondern nur Rechtsverhältnisse im Spruch abhandelbar sind. Es ist auch unumgänglich eine verfahrensrechtlich eindeutig nachvollziehbare Begründung auf Basis eindeutiger Feststellungen in Bescheiden und Erkenntnissen auszuführen.


Der fünfte Themenblock widmete sich schließlich den Fragen Verjährung, Verzugszinsen und Fälligkeit. Als Entscheidungen wurden hier thematisiert: 2013/08/0135 (veröffentlicht in ARD 6491/15/2016, Verzugszinsen), 2013/08/0126 (veröffentlicht in ARD 6491/16/2016, Nachsicht der Verzugszinsen), Ro 2016/08/0017 (veröffentlicht in ARD 6515/12/2016, Vergütungszinsen für zuviel entrichtete Beiträge), und Ra 2015/08/0194 (veröffentlicht in ARD 6542/19/2017, Beginn Verjährungsfrist GSVG).


Der letzte Themenblock beschäftigte sich mit der Frage der Selbstversicherung in der PV für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen (VwGH 19.01.2017, Ro 2014/08/0082 und 0084, veröffentlicht in ARD 6539/12+13/2017). Die Kernfrage der Verfahren war, was unter dem Begriff "erhebliche" Beanspruchung der Arbeitskraft zu verstehen ist, der eine der Voraussetzungen für diese Form der freiwilligen Versicherung darstellt. Nach Auslegung des VwGH kann von "erhebliche" dann gesprochen werden, wenn ein durchschnittlicher Aufwand ab 14 Stunden Pflegeaufwand wöchentlich bzw. ab 60 Stunden Pflegeaufwand monatlich vorliegt. Die Inanspruchnahme einer 24-Stunden-Pflege ist dabei nicht von vornherein ein Ausschlussgrund für die Selbstversicherung.


Das erste Praxisseminar war in seiner Gesamtschau ein überaus informativer und gelungener Nachmittag, der durch die Teilnehmer aus den Sozialversicherungsträgern, vom Bundesverwaltungsgericht und verschiedener anderer Institutionen sowie durch eine große Anzahl an Studierenden einen spannenden Meinungsaustausch geboten hat. Nicht zuletzt ist Frau Dr. Julcher für ihren überaus spannenden, abwechslungsreichen und kompetenten Vortrag ein großer Dank auszusprechen - SV-Wissenschaft freut sich jedenfalls auf ein Wiedersehen mit allen Beteiligten.

Zuletzt aktualisiert am 09. Februar 2022